Angekündigt wurde die Karfreitagsliturgie als "Karfreitag - heuer anders!"
Was den Unterschied zur gewohnten Karfreitagsliturgie mit Passion, Kreuzenthüllung und Kreuzverehrung ausmachte, war im Altarraum schnell sichtbar: ein Streichquartett unter der Leitung von Prof. Ernst Kovacic, in Anger seit vielen Jahren bekannter und weltberühmter Geiger brachte "Die letzten sieben Worte des Erlösers am Kreuz" von Joseph Haydn zur Aufführung.
Die verbindenden Texte sprach Pfarrer i.R. Hans Leitner:
DIE SIEBEN LETZTEN WORTE UNSERES ERLÖSERS AM KREUZ
Der Eröffnungsteil nimmt uns gleich mit hinein in die Dramatik des Weges Jesu hinauf nach Golgotha – hinauf auf den Kreuzeshügel – ER IST ES – der ungerecht Verurteilte, der diesen Weg aus Liebe zu uns geht, das „Lamm Gottes“, das die Schuld der Welt hinwegnimmt – der unsere Dunkelheiten mit hinauf nimmt aufs Kreuz. Durch seine Wunden sind wir geheilt – zu unserem Heil nahm ER die Strafe auf sich. Er ist der Gottesknecht, der sein Leben gibt für die Seinen – für uns.
Erstes Wort: VATER VERGIB IHNEN, DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN…
Jesus praktiziert selbst, was er von seinen Jüngern und von uns allen fordert – FEINDESLIEBE und VERGEBUNGSBEREITSCHAFT.
Er blickt auf die Sünderliebe Gottes, seines Vaters, der gütig und barmherzig ist. Entfeindung und ein Neuanfang geschieht nur durch Vergebung. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!
Der Gottmensch wird in diesen bangen Stunden (musikalisch) nachgezeichnet durch Licht und Schatten, was sich im Hell-Dunkel von Dur und Moll widerspiegelt.
Zweites Wort: HEUTE NOCH WIRST DU MIT MIR IM PARADIESE SEIN…
Dies ist Jesu Verheißung an den Mitgekreuzigten – es ist Jesu Verheißung an uns. Dieses Wort beinhaltet nicht Untergang, Finsternis und Verlorenheit, sondern Heil, Erlösung und Rettung, die Gott schenkt – die Gnade der letzten Stunde.
Es ist ein Arioso des Leidens, das von Klangvisionen des Paradieses unterbrochen wird – es kündet vom frohen Erlösungsbewußtsein eines Sterbenden in der Todesstunde.
Drittes Wort: FRAU, SIEHE, DIES IST DEIN SOHN…
Jesus gibt den Lieblingsjünger Johannes in die Obhut seiner Mutter – die Gottesfamilie entsteht. Wir sind Töchter und Söhne Gottes und Jesus ist uns als Bruder geschenkt. Die Kirche ist geboren. Jesus geht es um die Zukunft der an IHN Glaubenden. Wir sind aufeinander verwiesen.
Gegenseitige Verantwortung und Fürsorge sind Merkmale christlicher Gemeinden.
Der Todesschrei Jesu ist ein Schrei menschlicher Verlassenheit. Jesus stirbt nicht nur von den Menschen alleingelassen, einsam – sondern auch mit dem Gefühl der Gottverlassenheit – verlassen von dem Gott, von dem er selbst aber nicht lassen kann und will – zu dem er klagt, stöhnt und ruft.
Hier kristallisieren sich die vielen Warum-Fragen der Menschen aller Zeiten bis ins Heute herauf – die vielen Schrei zu Gott, die vielen Anklagen. Hier ist Jesus besonders unser Bruder und Weggefährte – uns nahe in unserem Rufen und Schreien aus der Tiefe, uns nahe in unserer Ohnmacht und unserem Schmerz.
Fünftes Wort: MICH DÜRSTET…
Der ausgeblutete Leib des Gekreuzigten ist ein einziger Schrei nach Flüssigkeit, ein einziger Schrei der verdurstenden Schöpfung und Kreatur. Hunger und Durst sind in einem tieferen Sinn aber auch Ausdruck der Sehnsucht nach Liebe, Glück und Geborgenheit, letztlich nach GOTT. Der Mensch ist ein Gefäß, das sich nicht füllen lässt, es bleibt immer etwas offen, unerfüllt.
Jesus dürstet es nach der Liebe des Menschen und dass der Mensch auf diese Liebe antwortet, dass WIR auf seine Liebe antworten. Gottes Sehnsucht ist der Mensch.
Eine berührende Klangaura wird uns in diesem Wort (Teil) geschenkt. Spüren wir unserer inneren Sehnsucht, unserem Durst nach.
Sechstes Wort: ES IST VOLLBRACHT!
Ein Schlusspunkt wird gesetzt. Sein irdischer Weg ist an ein Ende gekommen, sein Lauf ist vollendet – der Wille des Vaters ist erfüllt.
Dieses Wort ist gleichsam das Siegel und die Unterschrift unter sein ganzes vorausgegangenes Leben. Jesus, der Sohn Gottes geht diesen Weg aus Liebe zu uns bis ans Ende.
Möge es auch uns geschenkt sein, am Ende des Lebens sprechen zu können: ES IST VOLLBRACHT!
Siebentes Wort: IN DEINE HÄNDE, HERR, BEFEHLE ICH MEINEN GEIST
Jesus vertraut darauf, dass der Vater ihn nicht ins Nichts zurückfallen lässt, sondern, dass er von IHM gehalten und von seiner grenzenlosen Liebe umfangen ist. Das ist auch frohe Botschaft für und an uns: auch unser Leben ist umfangen von Gottes unbedingter Liebe.
Dem gläubigen Vertrauen wohnt eine ungeheure Kraft inne. Ein solches Vertrauen liegt nicht in unserer menschlichen Macht, sondern ist Geschenk des Geistes Gottes und möchte erbeten werden.
Wir dürfen der Verheißung trauen, dass Gott alle Tage der Welt und selbst über diese Welt hinaus bei uns ist.
Dieses Wort mündet und wendet sich musikalisch hin zum kindlichen Gottvertrauen.
AUSKLANG
Der kurze Schlussteil verstört und weckt uns auf – diese Welt zerbricht, zerbirst – es bleibt kein Stein auf dem anderen. Die Erde bebt – die Felsen zerreißen und die Gräber tun sich auf.
Wir werden abschließend erschüttert, aufgerüttelt, geläutert, um bereit zu werden für die Begegnung mit dem lebendigen Gott – HEUTE – AM ENDE DES TAGES – AM ENDE UNSERES LEBENS – AM ENDE DER WELT.
Ein Prophetenwort schickt uns in Richtung Ostern: Wenn all das geschieht, dann richtet euch auf und erhebt euer Haupt, denn eure ERLÖSUNG ist nahe!
Am Ende der Karfreitagsliturgie stand dann die stille Kreuzverehrung, bei der wieder Blumen beim Kreuz niedergelegt wurden, die für den Grabesschmuck verwendet wurden.